KOLUMNE – PERSPECTIVE CH
Die Ausgaben im Gesundheitswesen können exakt beziffert werden. 2021 waren es 86,344 Mrd. Franken. Das bedeutet, dass jeder Einwohner und Einwohnerin in der Schweiz 10’000 Franken Gesundheitskosten pro Jahr verursacht. Doch welchen Wert erhalten Patienten und die Gesellschaft für diesen horrenden Betrag?
Unser Gesundheitswesen ist heute über die Menge gesteuert. Je mehr Patienten ins Spital müssen umso höhere Umsätze werden erzielt. Wenn eine Operation nicht zufriedenstellend durchgeführt wird, braucht es eine zweite oder dritte OP. Nicht die Qualität steht im Vordergrund, sondern die Menge wird vergütet. Bei der Langzeitpflege ist es ähnlich, je höher die Pflegestufe, umso höhere Kosten oder eben Umsätze werden erzielt. Warum also in die Aktivierung der älteren Menschen investieren? Finanziell gesehen, ist es heute nicht lukrativ, den Pflegebedarf zu Verlangsamen oder sogar entgegenzuwirken.
Selbstverständlich gilt die Prämisse, dass jeder Akteur und jede Akteurin immer das Beste für seinen Patienten oder seine Patientin möchten. Heute sind aber die Anreize im System anders gesetzt. Statt auf Qualität beruht unser Gesundheitssystem auf einem Mengenwachstum. Eine Transparenz gibt es nicht. Doch Transparenz ist der Schlüssel für Wettbewerb – für Qualitätswettbewerb. Dies ist nur durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten möglich. Das heisst, wenn Leistungserbringer, Versicherer und Kantone das gleiche Verständnis eines mehrwertbasierenden Gesundheitswesens haben und gemeinsam am gleichen Strang ziehen. Dieses Verständnis sollte auch bei den Versicherten mehr Einzug nehmen, dazu ist die Politik mit besserer Aufklärungsarbeit gefordert. Statt dass jedes Tal sein Spital hat, wäre es besser, dass am richtigen Ort das Richtige angeboten wird. In den Gesprächen mit der Bevölkerung stelle ich immer grosse Ängste vor Veränderungen fest. Das war damals so, als ich als zuständige Gemeinderätin den Spitexvertrag neu vergeben hatte. Angst und Vorurteile waren gross. Die Meinung, dass die Politik der Bevölkerung etwas wegnehmen will aus Kostengründen. Dieser Widerstand spürt die Politik, auch wenn es um die Spitalplanung geht. Darum ist es so wichtig, dass wir die Qualität in den Fokus stellen. Die Frage ist im Prinzip simpel: «Was ist Ihnen wichtiger, um die Ecke ein Spital zu haben oder dorthin zu gehen, wo Sie die beste Qualität erhalten?»
Am 9. Juni stimmen wir über die SP Prämien-Entlastungs-Initiaitve ab. Diese will vorschreiben, dass die Krankenkassenprämien nicht höher als zehn Prozent des Einkommens sein dürfen. Das heisst, die Krankenkassenprämien werden gedeckelt. Am System ändert sich dadurch nichts – im Gegenteil. Die Kosten werden weiter steigen und die Qualität weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen. Die Prämienverbilligungen müssten damit massiv ausgebaut werden, was zu höheren Steuern führen würde. Es ist zu hoffen, dass die Stimmbevölkerung dieses linke Anliegen durchschaut. Für ein bezahlbares und qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen.
ZUR PERSON: Martina Bircher, wohnhaft in Aarburg, studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Controlling an der FHNW. Seit 2019 ist sie Inhaberin und Managerin einer Consultingfirma. Den Grundstein ihrer politischen Karriere setzte sie 2013 mit ihrer SVP-Kandidatur für den Aarburger Gemeinderat. Zurzeit ist sie Frau Vizeammann der Gemeinde Aarburg und vertritt seit 2019 die SVP im Nationalrat. Seit 2022 ist sie zusätzlich Mitglied der Sozial- und Gesundheitskommission SGK.