«Wir müssen die Wertschöpfung in der Schweiz behalten»

    Das Geschäft des Aargauer Online-Handelspioniers Roland Brack boomt – nicht nur aufgrund der Pandemie. Der Gründer des Onlinehändlers BRACK.CH sowie Gründer und Inhaber der Firmengruppe Competec rechnet mit einem weiteren Wachstum seiner Branche. Der erfolgreiche Unternehmer über die starke Konkurrenz aus China, seinen Neubau in Willisau und viele spannende Produkteinnovationen.

    (Bild: zVg) Für Unternehmer Roland Brack hat der digitale Prozess, der unser aller Leben beeinflusst, erst begonnen und die Corona-Pandemie ist ein Weckruf.

    Die Corona-Krise hat der Digitalisierung und dem Onlinehandel einen gewaltigen Schub verliehen. Wie haben Sie das als grösster unabhängiger Online-Händler erlebt?
    Roland Brack: Wir verzeichneten einen massiven Anstieg des Bestellvolumens über den wir uns zu Beginn gefreut und dann unter der massiven Mehrbelastung geächzt haben. Dieses Ausmass an Bestellungen war für niemanden von uns vorstellbar: Wir waren rund um die Uhr am Arbeiten und trotzdem kamen jeden Tag viel mehr Bestellungen herein, als wir ausliefern konnten. Auch wir hatten Corona-bedingt schwierige Rahmenbedingungen wie beispielsweise Mitarbeitende in der Risikogruppe, die nicht mehr vor Ort arbeiten konnten. Wir haben deshalb innerhalb kürzester Zeit unsere Büros auf Home-Office umgestellt, was für uns eine weitgehend neuartige Form der Zusammenarbeit darstellt. Insgesamt war es eine sehr herausfordernde Zeit.

    Waren Sie gerüstet für die Flut von Online-Bestellungen?
    Natürlich nicht. Ein derartiger Ansturm kannten wir nicht einmal von Black Friday oder vom Weihnachtsgeschäft. Es kam zu Lieferverzögerungen zwischen mehreren Tagen bis Wochen. Wir mussten alle Register ziehen, um wieder aufzuholen: Einstellung zusätzlicher Kräfte, Einführung von Mehrschichtbetrieb, Samstags- und Sonntagsarbeit und temporäre Mithilfe von Leuten aus unseren Büros.

    Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihres Geschäftsfeldes national und international in den nächsten Jahren. Gibt es neue Tendenzen?
    Wir rechnen mit einem weiteren Wachstum: Onlinehandel wird international und in der Schweiz immer beliebter. Die Pandemie hat dies einfach beschleunigt, und zwei bis drei Jahre des Wachstums wurden übersprungen. International wie auch in der Schweiz werden die grossen Onlineshops schneller wachsen als die kleineren Anbieter, die nicht eine absolut lukrative Nische besetzen.

    Was sind momentan die Chancen, was sind die Herausforderungen in Ihrem Business?
    Zu den Chancen zähle ich, dass der Onlinehandel ein Wachstumsmarkt ist. Zu den Herausforderungen zähle ich den Preiszerfall in gewissen Sortimenten und die starke Konkurrenz aus China, die sich weder um Schweizer Gesetze noch Ökologie schert und günstiger in die Schweiz liefern kann als Schweizer Unternehmen. Konsumentinnen und Konsumenten bestellen dort, wo es am einfachsten und günstigsten ist. Deshalb ist die Herausforderung, die Wertschöpfung in der Schweiz zu behalten.

    Sie gelten für viele als Händler der Zukunft: Wie fühlen Sie sich als Pionier des Onlinehandels?
    Diese Bezeichnung schmeichelt mir sehr, macht mich aber auch etwas verlegen, insbesondere in Anbetracht der Corona-Situation. Profiteur einer Krise zu sein macht mich nicht besonders stolz. Eigentlich sind es meine Mitarbeitenden, die die Pionierarbeit leisten. Da wir nicht Teil eines Konzerns sind, konnten wir uns frei von Vorgaben entwickeln und haben stets den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt gesetzt. Ich bin deshalb sehr stolz darauf, was meine Mitarbeitenden in all den Jahren geleistet haben.

    An welchen interessanten Projekten arbeiten Sie zurzeit?
    Im Moment beschäftigt mich unser Ausbau des Lagers in Willisau intensiv. Der Neubau wurde durch eine Einsprache um mehrere Jahre verzögert und deshalb leiden wir derzeit unter grösster Platznot. Die Inbetriebnahme des Neubaus im nächsten Jahr wird deshalb ein wichtiger Befreiungsschlag. Die Lagerkapazität wird sich verdoppeln.

    Ein bekanntes Projekt von Ihnen ist die populäre TV-Staffel «Die Höhle der Löwen». Was hat Ihnen die Sendung persönlich und geschäftlich gebracht?
    Persönlich habe ich sehr viele spannende Unternehmerinnen und Unternehmer sowie viele neue Geschäftsideen kennengelernt. Geschäftlich habe ich natürlich viele spannende Produktinnovationen gesehen, die wir bei BRACK.CH nun im Sortiment führen. Die besten und innovativsten Produkte als Erster zu haben ist im Handel von zentraler Bedeutung.

    Welche Erfahrungen haben Sie mit den Startups in den Sendungen gemacht?
    Es ist überwältigend, wieviel Innovation in der Schweiz vorhanden ist. Der Kontakt zu diesen Jungunternehmerinnen und -unternehmer habe ich als inspirierende Bereicherung empfunden. Ich habe sie als offen für Ratschläge erlebt. Ich konnte auch selbst viel lernen und wertvolle Erfahrungen für BRACK.CH sammeln.

    Welchen Tipp geben Sie einem Jungunternehmer heute in der aktuellen Situation?
    Krisen und unsichere Zeiten bieten immer Chancen. Diese gilt es zu nutzen. Wenn nötig Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Den Businessplan flexibel zu halten und stets im Hinblick auf die veränderten Gegebenheiten zu überprüfen.

    Welche Erfahrungen haben Sie mit chinesischen Unternehmern gemacht respektive ist die Angst, von China überrollt zu werden berechtigt?
    Angst ist generell ein schlechter Ratgeber. Zuversicht und Optimismus passen besser zu einem Unternehmer. Es ist aber schon so: China ist im Aufschwung. Abermillionen von Menschen sind bereit, hart zu arbeiten für ein besseres Leben. Das gilt übrigens in ganz Asien. Wir leben im Wohlstand – und satte Löwen jagen nicht.

    Ihr Firmensitz ist im Aargau. Bleibt er dort und was schätzen Sie an diesem Standort?
    Unser Hauptsitz ist seit 1996 in Mägenwil. Hier sind wir zuhause, hier kennt man uns, hier beteiligen wir uns am Gemeindeleben. Er ist aus allen Landesteilen aus gut zu erreichen, auch wenn durch den zunehmenden Einsatz von Flexible Work respektive Home-Office die Standortattraktivität an Wichtigkeit für Arbeitnehmende etwas abnimmt.

    Wie digital ist die Schweiz, respektive gibt es da noch Potenzial nach oben?
    Die Digitalisierung ist ein fortlaufender Prozess, der auf vielen Ebenen Einfluss auf unser Leben nimmt. Da gibt es noch Luft nach oben. Die Corona-Pandemie ist ein Weckruf, und ich nehme erfreut zur Kenntnis, dass sich die Digitalisierung der Schulen dadurch massiv beschleunigt hat.

    Wie beurteilen Sie den Wirtschaftsstandort Schweiz in der momentanen Situation und was benötigt es, damit es (trotz Corona) wieder vorwärts geht?
    Es braucht Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit den veränderten Bedingungen umgehen können. Es braucht die Politik, die einen Rahmen schafft, in dem das möglich ist. Und es braucht die Bevölkerung, die bereit ist, zu konsumieren. Es hat sich vieles verändert, aber zusammenzustehen hilft in dieser Situation.

    Wie halten Sie es persönlich mit Einkaufen – online oder vor Ort?
    Ich nutze beides gerne. Frische Lebensmittel aus der Region kaufe ich am liebsten in der Region. Bei Kleidern bin ich eher der Typ, der sie gerne im Laden anprobiert. Ansonsten kaufe ich natürlich viel online, einerseits um die eigenen Prozesse auszuprobieren und andererseits auch bei anderen Anbietern, um zu sehen, was die gut machen.

    Was wünschen Sie sich persönlich für Ihre Branche?
    Dass wir gemeinsam im Handel so viel wie möglich Wertschöpfung in der Schweiz behalten können, am liebsten – wo immer es geht – natürlich auch mit Produkten aus der Schweiz.

    Interview: Corinne Remund


    ZUR PERSON

    Der 47-jährige Aargauer hat mit BRACK.CH den grössten unabhängigen Online-Händler der Schweiz aufgebaut. Neben dem Handel hat er sich auf den Bereich Logistik spezialisiert und bietet unter anderem für andere Onlinehändler Logistik- und Versand-Dienstleistungen an. Er gründete das Unternehmen während seines Elektronikstudiums im Dachstock des Elternhauses und baute das Unternehmen in der mehr als 25-jährigen Geschichte durch diverse Übernahmen immer weiter aus. Roland Brack zählt in seiner Unternehmensgruppe, deren Hauptsitz in Mägenwil ist, rund 800 Angestellte und macht einen Jahresumsatz von mehr als 811 Millionen Schweizer Franken. Ausserdem hat er in diversen Startups investiert und begleitet einige davon aktiv als Verwaltungsrat.

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